Österreich und Kolumbien: Frauen „gemeinsam für eine Zukunft ohne Gewalt“
[Wien, 21.2.2018, PA] Im Zeichen des Friedens und der Solidarität über die Grenzen von Parteien, Ländern, Nationalitäten , Sprachen und Religionen hinweg stand das Benefizsuppenessen der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, zu dem am 20. Februar im österreichischen Parlament rund 250 Gäste aus Politik und Kirche zusammengekommen sind. „Die katholischen Frauen zeigen, dass es darum geht, sich zusammenzuschließen, gemeinsam zu handeln, zu teilen“, so Margit Fischer, Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer und Festrednerin des Abends. Sichtbar werde das in der Solidarität und der Kooperation der kfb mit Friedensaktivistinnen in Kolumbien genauso wie im Einsatz für Menschenwürde und Gerechtigkeit hierzulande.
Im Mittelpunkt der heurigen Spendenkampagne der Aktion Familienfasttag steht die kolumbianische Organisation „Vamos Mujer“, ein Zusammenschluss von Frauen, die sich aktiv für den Friedensprozess in ihrem vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg gezeichneten Land einsetzen. „Gemeinsam für eine Zukunft ohne Gewalt“: einer Aktion Familienfasttag sei es zu verdanken, dass ein Handeln in diesem Sinne ermöglicht und unterstützt werde, so der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, in seinem Grußwort. Schönborn würdigte den jahrzehntelangen Einsatz tausender Frauen in den österreichischen Pfarren für die Aktion Familienfasttag – heuer im 60. Jahr ihres Bestehens – und dankte der kfb für das Beispiel an Solidarität und Nächstenliebe, ohne die es keinen Frieden gebe, weder in Kolumbien noch in Österreich. Auch Doris Schmidauer sagte in ihrem und im Namen ihres Mannes, des amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, Dank für „das mutige Engagement“ der kfb.
Das Benefizsuppenessen biete Anlass, zu einer Haltung des „Teilens“ aufzufordern, in der Welt wie in Österreich, so Schmidauer in ihrem Grußwort. „Teilen sollte immer die Richtschnur sein“, erklärte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Gastgeber im Parlament: „Teilen muss hoch gehalten werden, bei allen Problemen, auch in Österreich“. Von Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, bekam Sobotka ein Herz, Werk einer österreichischen Künstlerin, überreicht, verbunden mit dem Appell, „im Parlament und in der Regierung eine Politik einzufordern, die von Empathie und Solidarität getragen ist und die Bedürfnisse der Schwächsten in der Gesellschaft im Blick hat“. Frauen in Kolumbien wie Frauen in Österreich wüssten darum: „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg, “ so Pernsteiner. Ihr Appell: „ Stärken wir einander auf unseren Wegen“.
Seinen Dank an die kfb sprach Gastgeber Wolfgang Sobotka auch im Namen des Österreichischen Nationalrates aus: „Dem österreichischen Parlament und dem Bundesrat ist es ein Anliegen, die Räumlichkeiten des Parlaments zu nutzen für den Austausch mit der Zivilgesellschaft“. Österreich stehe in der Tradition des Brückenbauens, insbesondere im gegenwärtigen Gedenk- und Bedenkjahr sei die Verpflichtung wahrzunehmen, sich „um das Wohl in der Welt zu kümmern“. Die kfb zeige Verantwortung, „in christlichem Sinne“ und „weltumspannend“. Im 100. Jahr des Frauenwahlrechts in Österreich sei generell auf die Leistung von Frauen zu blicken. Die Einführung dieses Wahlrechts bereits im Jahr 1918 zeichne Österreich aus als ein Land an der Spitze einer demokratischen Bewegung in dieser Zeit.
Bekenntnis zu globaler Verantwortung: Mittel für EZA bereitstellen
Doris Schmidauer erinnerte an die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Aktion Familienfasttag als älteste Frauenorganisation für Entwicklungszusammenarbeit in Österreich und würdigte ihren Einsatz heute im Sinne der „großen Transformation“ in Fragen von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft: „Denn die Missstände im Globalen Süden , der Klimawandel und die Entsolidarisierung in Österreich haben alle dieselbe Wurzel: ein ungerechtes System, in dem Konkurrenz und Wirtschaftswachstum vor Kooperation und Menschenwürde stehen“. Organisationen wie die Katholische Frauenbewegung Österreichs trügen dazu bei, dass Konflikten und Kriegen zugrunde liegende Verhältnisse wie etwa der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, sozialer Ungleichheit und mangelnder Geschlechtergerechtigkeit entgegensteuert würde, damit Voraussetzungen geschaffen werden für Gerechtigkeit und Frieden. Schmidauer appellierte an die österreichische Regierung, „ein klares Bekenntnis zu globaler Verantwortung“ abzugeben und entsprechend zu handeln: „Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, zu denen sich Österreich verpflichtet hat – konkret wären das 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens – werden seit Jahren nicht in dieser Höhe bereitgestellt“.
Sie, so Schmidauer, werde „genau zuhören“, wenn der Finanzminister seine Budgetrede halte. Den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit forderte Schmidauer auch in Österreich, wo die soziale Ungleichheit wachse und die Schwächsten in der Gesellschaft noch weiter an den Rand gedrängt würden: Arbeitslose, Flüchtlinge, Frauen, Minderheiten.
Absage an eine Politik der nationalen Interessen
„Es gilt, auch im eigenen Land zu vermeiden, Wasser zu predigen und Wein zu trinken“, erklärte auch Festrednerin Margit Fischer. Alles, was über Menschenwürde gesagt würde, müsse etwa „auch für Flüchtlinge gelten“. Sie selbst, so Fischer, sei als ehemaliges Flüchtlingskind dem Aufnahmeland Schweden zeitlebens „sehr dankbar“. Wahrzunehmen sei, dass die Katholische Frauenbewegung Fragen und Problemen, wie sie im Zusammenhang mit nach Österreich geflüchteten Menschen entstünden, nicht ausweiche, sich „ganz im Gegenteil sehr intensiv kümmert“. Fischer erinnerte daran, dass die Menschenrechtsdeklaration für alle Menschen gelte, dass, in den Worten von Kardinal Schönborn, „das Gebot der Nächstenliebe nicht räumlich, nicht verwandtschaftlich und auch nicht national begrenzt sei“: „Eine Politik, die alle Europäer betreffende Probleme nur aus der Perspektive des eigenen Landes, der nationalen Interessen betrachtet, kann keine gute Politik sein“.
UN: Starke Verbündete
Im Sinne der von der kfb verfolgten „großen Transformation“ sei, so Fischer, auf „starke Verbündete“ zu achten wie es „die von vielen unterschätzten Vereinten Nationen“ darstellten. So seien von den UN 2015 die „Agenda 2030“, die sogenannten „Sustainable Development Goals“, also nachhaltige Entwicklungsziele beschlossen worden. „Ziele, die wir voll und ganz unterstützen“. Eine Politik zur Erhaltung des Friedens und des Kampfes gegen Armut spiele dabei eine große Rolle, aber auch der Kampf gegen Säuglingssterblichkeit, gegen die gefährlichsten Krankheiten, für reines Wasser, für Klimaschutz oder die Gleichstellung der Geschlechter. Sie, so Fischer, sehe, wie es in einigen dieser Bereiche Fortschritte gegeben habe, und sei zuversichtlich, dass das anhalte. Mit dem Wahlrecht gebe es „ein starkes Instrument“, wirksam zu werden, „Rückenwind“ liefere der Zusammenbruch „alter Strukturen“ wie das Beispiel Saudi-Arabiens in der Frauenfrage zeige.
Rechte erkämpfen, Vertrauen und Versöhnung herstellen
Die Gäste aus Kolumbien nannten als wichtige Schritte zu Frieden und Gerechtigkeit, auch zwischen den Geschlechtern, u.a. den Zugang von Frauen zu Land und Bildung: „Ich unterstütze Frauen in einer ländlichen Region Kolumbiens“, so die Zootechnikerin Ana Maria Berrio Ramirez, Beraterin bei der kfb-Partnerorganisation „Vamos Mujer“: „Was wir brauchen, sind Instrumentarien und Infrastruktur, um eine ökologische Landwirtschaft aufzubauen, Unterstützung beim Kampf gegen verschiedene Formen der Gewalt und beim Wiederaufbau von Vertrauen. “
Eine große Aufgabe bestehe darin, Versöhnungsprozesse in Gemeinden zu begleiten. Melissa Villegas Franco, als Entwicklungspsychologin in der Mädchenarbeit von „Vamos Mujer“ in den Armensiedlungen am Stadtrand von Medellin beschäftigt, betreibt in erster Linie Bewusstseinsarbeit: „Wir begleiten junge Mädchen im Prozess des Wahrnehmens, Erkennens und Benennens von Gewalt“, damit sie aktiv einen Beitrag zum Friedensprozess leisten könnten. Frauen und Kinder sind weltweit am stärksten von Konflikten und Kriegen betroffen, in die Gestaltung von Friedensprozessen allerdings kaum einbezogen.
Kardinal Schönborn: Kolumbien sei uns eine Mahnung
Kardinal Schönborn, vor einigen Jahren zu Gast in einer Friedensorganisation in Bogota, erinnerte an das eindrückliche Bild einer ehemaligen FARC-Kämpferin, die sich, klein und von Krankheit gezeichnet, in einer Versöhnungsrunde an eine große Frau lehnte, ihrerseits gezeichnet von unzähligen Brandwunden, die ihr bei einem Angriff der Rebellen-Gruppe FARC auf ihr Dorf zugefügt wurden. Bei diesem Angriff hatte sie Mann und Kinder verloren: „Gemeinsam für eine Zukunft ohne Gewalt: diese Frauen verdienen alle Unterstützung“, so Schönborn. Konflikte entstünden nicht zufällig, davor lägen „Aufhetzung“ und „Feindschaft“: „Kolumbien sei uns eine Mahnung“, so Schönborn, „unsere Werte der Solidarität und Nächstenliebe zu pflegen: aktiv, wachsam und nachhaltig“. Er danke der Katholischen Frauenbewegung für diese Pflege, so der Kardinal.
Die „Widerständigkeit des Guten“ pflegen
„Frieden beginnt in der zwischenmenschlichen Beziehung“, so kfb-Vorsitzende Veronika Pernsteiner: „Im Respekt voreinander, in der Toleranz füreinander, in der Achtung der Menschenwürde eines jeden Menschen. In der Konfrontation mit der Wahrheit, der konstruktiven Auseinandersetzung mit der Wahrheit, im Einsatz für Gerechtigkeit, für eine gerechte Verteilung von Mitteln und Chancen zur Sicherung eines guten Lebens“. In einer Zeit, in der wieder Zäune und Mauern gebaut würden, gelte es mit den Worten der Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer, die „Widerständigkeit des Guten“ zu pflegen, um neue Anfänge zu ermöglichen.
In dieser „Widerständigkeit des Guten“ versuche sich die Katholische Frauenbewegung auf mehreren Ebenen, so Veronika Pernsteiner: „Mit der Aktion Familienfasttag ebenso wie mit der Unterstützung der Initiative ´christlich geht anders´“, einem Bündnis von christlichen Organisationen und Einzelpersonen in Österreich, die sich für die Stärkung des Sozialstaats und eine solidarische Gesellschaft, gegen Ausgrenzung, Spaltung, Extremismus und Rassismus engagieren, „oder mit der Unterstützung von Initiativen wie ´Omas gegen Rechts“.
Karten mit Appellen an Nationalratspräsident Sobotka
In Verbindung mit der Übergabe des von der Künstlerin Melisande Seebald gestalteten Herzens an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wurden beim Benefizsuppenessen Karten an die Gäste ausgeteilt, mittels derer sie an die Adresse von Sobotka Appelle schicken konnten. Unter anderem wurde an den Nationalratspräsidenten appelliert, sich für „eine zusätzliche EZA-Milliarde einzusetzen, um das Ziel von 0,7 Prozent des BIPs für Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen“, „zentrale Strukturen und klare Verantwortlichkeiten einzufordern, damit die UN-Sustainable Development Goals umgesetzt werden können“ oder „unterschiedliche Politikbereiche wie Handel, Agrar oder Steuern so abzustimmen, dass sie nachhaltige Entwicklung fördern“.
Zahlreiche VertreterInnen aus Politik und Kirche
Neben dem Nuntius in Österreich, Stephan Zurbriggen, der Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Karoline Edtstadler, dem Präsidenten des Bundesrates Herwig Hösele, dem Militärbischof Werner Freistetter, dem ehemaligen Sozialmininster Alois Stöger sowie der emerierte Bischof Maximilian Aichern waren der Einladung von Katholischer Frauenbewegung Österreichs und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ins Parlament zahlreiche weitere VertreterInnen aus Politik und Kirche gefolgt, so Botschafterin Margit Klestil-Löffler, Nationalratsabgeordnete der SPÖ, ÖVP sowie der Liste Pilz, die ehemalige Nationalratsabgeordente der Grünen Judith Schwentner, die Direktorin der der Evangelischen Frauenarbeit Gertrude Rohrmoser, Fuat Sanac, ehemaliger Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Amina Baghajati vom Forum muslimischer Frauen in der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Amani Abuzahra, Vorstandsmitglide der Jungen Musliminnen Österreich, Ruth Steiner vom christlich-jüdischen Dialog, Bernhard Heitz, emer. Bischof der Altkatholischen Kirche in Österreich, Caritaspräsident Michael Landau, die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreich, Sr. Beatrix Mayrhofer, der Vorsitzende der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs Abtpräses Christian Haidinger, der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz Peter Schipka, Bundesrätin und Vizepräsidentin des ÖGB Renate Anderl, die stellvertretende ÖGB-Frauenvorsitzende Monika Gabriel, Harald Mahrer, Präsident des Wirtschaftsbundes, Anneliese Vilim, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung, Heinz Hödl, Geschäftsführer der KOO, Jakob Wieser, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion und Erwin Eder, Geschäftsführer von Horizont 3000.
Durch den Abend im Parlament führte als Moderatorin Christine Haiden, Chefredakteurin des kfb-Magazins „Welt der Frauen“. Die Suppen, die ausgeschenkt wurden, stellte die Wiener Tourismusschule „Modul“ bereit, die Zutaten kamen der niederösterreichische Biohof Adamah, zahlreiche Schülerinnen und Schüler des „Modul“ sevierten. „Saxolady“ Daniela Krammer hat die Benefizveranstaltung musikalisch umrahmt.