„Alle Veränderung beginnt im eigenen Denken“
Eine selbstständige Frau mit eigenem Einkommen – trotz Gewalt, Unterdrückung und beschränktem Zugang zur Bildung: Julia Elizabeth Cajas Lima, heute Leiterin der kfb-Partner_innenorganisation AMOIXQUIC und MIRIAM-Stipendiatin in Guatemala, hat es geschafft. Ihr Wunsch: „Die Saat des Empowerments soll die Frucht der Gleichberechtigung tragen.“
Eigentlich wollte Julia Elizabeth Cajas Lima Medizin studieren, musste aber nach wenigen Semestern abbrechen, weil sie sich die Bücher nicht leisten konnte. Fünf Jahre später hatte die Maya-Frau aus dem Volk der K’iche’ drei Kinder – und einen alkoholkranken Mann, der sie schlug. „Ich habe all das erlebt, was viele andere Frauen auch erleben müssen“, sagt Julia. Aber sie wollte sich im vom Machismo geprägten Guatemala, in dem Indigene oft Rassismus erfahren, nicht unterkriegen lassen: Kurzerhand inskribierte sie sich für ein Abendstudium der Sozialarbeit. Sie schrieb sich heimlich ein, das Geld dafür hatte sie sich mit dem Verkauf einer Schüssel Essen selbst verdient. Es war ihr erster Schritt in ein selbstbestimmteres Leben. Trotzdem schaffte sie es neben Kindern, Job und der knappen, finanziellen Lage einfach nicht die abschließende Diplomarbeit für das Studium zu schreiben.
Ökonomische Selbstbestimmtheit
Im Jahr 2003 kam sie zum kfb-Partner_innenprojekt AMOIXQUIC (sprich: Amoischkik). Der Frauenverein macht sich im westlichen Hochland von Guatemala mit dem Leitsatz „Das gute Leben aus der Sicht von Frauen“ stark für ökonomische Selbstbestimmtheit. „Für mich war AMOIXQUIC die Universität meines Lebens“, sagt Julia, die heute das Projekt leitet. „Ich bin beruflich gewachsen, als Mensch und als Frau.“ Die Vereinsarbeit zielt nicht nur auf das Empowerment der Frauen durch Wissen über Rechte und Gleichbehandlung ab, sondern setzt auch auf das Erlernen praktischer Fähigkeiten für ein gesünderes Leben. Den Teilnehmerinnen wird zum Beispiel vermittelt, wie sie einen eigenen Gemüsegarten anlegen, Heilpflanzen setzen und nutzen können.
Mit dem Überschuss aus ihrem Garten und der Herstellung von Produkten wie beispielsweise Seife verdienen sie etwas eigenes Geld – und können dank lokaler Sparvereine Teile davon für notwendige Anschaffungen sparen.
Hilfe für den Studienabschluss
Julia sammelte in dieser Zeit die Kraft, sich gegen ihren eigenen Mann und auf eigene Füße zu stellen. Zehn Jahre nach ihrem letzten Uni-Kurs konnte sie ihren Abschluss mit finanzieller und akademischer Unterstützung des kfb-Partner_innenvereins Ixoqib’ MIRIAM nachholen. Der Verein, der es indigenen Frauen durch ein umfassendes Betreuungsmodell ermöglicht, ihre Berufsausbildung fertig zu machen, half ihr bei der wissenschaftlichen Arbeit und mit den Studiengebühren.
Das veränderte ihr Leben nochmals grundlegend: „Der Universitätsabschluss hat mir sehr geholfen, mich als Person zu verwirklichen, eine unabhängigere Frau zu sein und Entscheidungen über die Verwendung meines Einkommens zu treffen.“ Mit dem besseren Gehalt, das sie durch ihren Abschluss bekam, konnte sie nach und nach ihr Haus bauen und ihren Kindern eine bessere Ausbildung ermöglichen. „Vor allem meiner Tochter beibringen, wie wichtig Autonomie für Frauen ist.“ Heute ist ihr Mann seit mittlerweile zehn Jahren trocken. Wenn alles gut laufe, sagt sie, würden die Kinder nach ihrem Studium Architektin, Anwalt und Ingenieur. „So kann die Saat des Empowerments die Frucht der Gleichberechtigung tragen.“
© Christine Buchinger. Der Artikel wurde dem Familienfasttagsmagazin 2/2021 entnommen und leicht gekürzt.
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Über den Verein Ixoqib’ MIRIAM
Ixoqib’ MIRIAM ist ein Verein zur intellektuellen Förderung von Frauen, der seit 1996 mit Bildung und Programmen zum Empowerment für indigene Frauen, Kinder und Jugendliche in Guatemala aktiv ist. Das Projekt unterstützt unter anderem Maya-Frauen finanziell und akademisch bei ihrer Professionalisierung, hilft jugendlichen Gewaltopfern mit psychosozialer Betreuung, unterstützt beim Zugang zur Schulbildung und klärt mit Gender-Kursen und vielem mehr über Rechte und Gleichbehandlung auf.